Seiten

Dienstag, 5. Oktober 2010

Dala, Ochsenkarren, Roller und Co. - Der Verkehr Zanzibars

Auf der Straße herrscht das Recht des Stärkeren, so sollte wohl die erste Regel einer tansanischen Fahrschule lauten, wenn es denn solche überhaupt in der uns bekannten Form gibt. Zwar ist mir schon ein Toyota mit einem Zanzibar Police Driving School (oder so ähnlich) Schild auf dem Dach mit atemberaubender Langsamkeit an mir vorbeigeschlichen, doch denke ich, dass dies eher eine Fahrschule für Polizisten als für Zivilisten ist. Das zweite was man sich als Autofahrer in Tanzania/Zanzibar zu Herzen nehmen sollte ist, das hier Linksverkehr herrscht. Auch wenn das nicht immer ersichtlich ist. Die dritte Grundregel des hiesigen Verkehrs ist, das viel Platz auf dem Dach oder der Ladefläche ist. Die letzte ersichtliche Grundregel scheint zu sein Hupe, Hupe, Hupe.
Eine LKW auf dem Weg zu einer Wahlveranstaltung der CUF
 
Wir sind unterwegs mit dem Auto unseres Chefs, einem klapprigen Toyota Kleinbus mit 8 Sitzen zu unserer Arbeit nach dem ländlichen Pete. Hier sei erwähnt, dass es hier ein Monopol an Toyotas zu geben scheint, besonders beliebt sind Kleinbusse, die nötig sind um die großen Familien oder etwaige Touristen Zanzibars zu transportieren. Unsere Fahrt beginnt in Fuonis Viertel Maharibiko, hier steige ich ein, und wir fahren über holprige unbefestigte Straßen Richtung Hauptstraße. Hauptstraße ist im Grunde der falsche Ausdruck, da die Hauptstraße eine Hauptstraße ist, die ihren Namen im Grunde nicht verdient, da sie nicht die Haupt-Straße ist sondern die einzige befestigte Straße.

Hier tummeln sich alle möglichen Fahrzeuge die man sich nur vorstellen kann. In Fuoni fallen sofort die (Stadt-)Dalas auf , weiße Kleinbusse mit seitlicher Schiebetür die vom „Konda“ (Englisch: conductor ) sozusagen dem Schaffner geöffnet und meist auch wieder während der Fahrt geschlossen wird. Der Konda kassiert das Fahrgeld [250 TSH (ca. 12 Cent), Schüler: 100 TSH (5 Cent)] und lockt möglichst viel Kunden in sein Dala. Hier fällt mir noch eine kleine Anekdote ein: Als wir einmal mit Saidis Auto unterwegs waren, überholte ein Dala ein stehenden Dala und parkte sich ganz dreist vor ihn um dessen Kunden abzugreifen, worauf der Konda des ersten Dalas den Konda des zweiten verprügelte [Anm.: vielleicht haben sie sich auch wegen was anderem geprügelt, das nur meine Interpretation]. Am Ende Fuonis drehen die Stadt-Dalas die zwischen Stone Towns Busbahnhof Darajani und Fuoni hin und her pendeln, und fahren wieder zurück in die Stadt. Hinter diesem Turning Point also wartet das rurale Zanzibar.

Wir fahren weiter. Doch, stehen sogleich wieder, da am Ortsende Fuonis eine ständige Polizeikontrolle ist, die einen anhält und mit der man lächend zwei (mir unverständliche) Sätze wechselt und dann weiterfahren darf. Jetzt befinden wir uns auf dem Land. Palmen und große Bäume flankieren die Straße und bieten Schatten für kleine Lehm- oder Steinhütten-Siedlungen die sich eng an die Lebensader die Straße drängen, was da hinter im Busch liegt, kann ich bis jetzt nicht sagen. Hier auf der Teerstraße die natürlich keine Markierungen oder etwas ähnliches wie man aus Europa kennt, hat rasen alle so schnell sie können was meist 80 Km/h betrifft, doch auch schon mal 120 km/h sein kann und mir schon ziemlich viel Nerven abverlangt hat.

Hier trifft man, was den Öffentlichen Verkehr angeht nur noch die Überland-Dalas [1000 TSH- 1500 TSH (50-75 Cent)], die einem immer wieder ein Staunen abverlangen. Ein Überland-Dala hat ein Art „Käfig“ auf eine normale Kleinlastwagen-Ladefläche geschraubt, und hat auf je einer Seite zwei lange kleine Holzbänke zum sitzen/hocken. Normal passen hier bei relativ wenig Gequetsche, circa 20 Leute rein, wobei mein Rekord vom letzten Wochenende 31 + 8 Kinder ist, und das für zwei Stunden Fahrt nach Kizimkazi am Südzipfel Zanzibars. Was ihr jetzt vielleicht denkt ist, dass das doch voll gefährlich ist, und genau das scheint auch die Regierung gedacht zu haben, weshalb in einem Überland-Dala eigentlich alle sitzen müssen. Erwischt die Polizei, während einer ihrer vielen Kontrollen, einen Dala in dem Leute stehen (bzw. auf dem Boden knien, stehen geht nämlich gar nicht) dann muss gezahlt werden, ob dies jedoch eine reguläre Strafe ist, oder in der Hosentasche des Polizisten gemütlich zu ihm nach Hause wandert, sei dahin gestellt. Doch noch nicht genug vom „Dala des Todes“, hinten, überm Auspuff hat der Konda ein kleines Trittbrett auf dem er während der Fahrt steht und man 30 cm unter seinen Füßen den mit 80 km/h vorbeifliegenden Straßenbelag nur noch als graue Schliere erkennen kann. Auf dem Dach eines solchen Dalas sieht es aber noch lustiger aus. Hier wird alles transportiert, was man sich vorstellen kann. Beton-Bricks, riesige Holzbündel, Makuti (Palmwedel-Zeug zum Dachdecken), 3 000 Liter Politanks (Wasserspeicher) , Matratzen, Fahrräder, Säcke mit Kokosnüssen, Säcke mit Kartoffeln, Säcke mit Reis, Säcke mit Sand, Wasserflaschen, Pflanzenöl-Kanister und im Grunde alles was man sich nur vorstellen kann. Mir ist es ein Rätsel wie dort nichts herunterfällt, vor allem, da in den aller seltensten Fällen irgendetwas nur festgebunden wird. Besonders beeindruckend finde ich immer wieder, wenn einem ein Überland Dala schräg in der Kurve mit voller Geschwindigkeit entgegenkommt und mit einem zwei Meter Stapel an Feuerholz beladen ist – ein statisches Meisterwerk so scheint es.

Wir passieren die Universität Zanzibars und auf der gegenüberliegenden Seite das Weiße Haus (den so sieht es aus, nur klein) des Vizepremiers. Hier heißt es Vorsicht, denn es könnte ein Konvoi aus dem Sicherheits-Tor preschen, der sich mit mehreren laut heulenden Polizei-Jeeps am Anfang einer Limousine mit Staatsoberhäuptern und mindestens einem Militär-LKW am Ende gnadenlos den Weg durch Zanzibars Verkehrschaos bahnt. Auf dem Militärlaster stehen grimmige Soldaten mit Tarnkleidung und lächerlich großen Brillen gegen den Fahrtwind, die aus dem Zweiten-Weltkriegs-Inventar der britischen Royal Air Force zu stammen scheinen. Mit ihnen und ihren AK-47 ist nicht zu spaßen so heißt es das sie bei nur dem geringsten Zweifel sofort anfangen zu schießen. Sobald der sansibarische Verkehr der sich sonst doch durch nichts und niemand bändigen lässt und sich sonst chaotisch durch die Straßen schiebt den Hauch einer Sirene hört machen alle ob groß oder klein so schnell wie sie können, dass sie sich wie ein Spalier am Straßenrand aufreihen um der Regierung Platz zu machen.

Ich merke schon, ich schweife aus. Wir fahren also weiter und passieren etliche Kühe und Ziegen die gemütlich im Straßengraben weiden, wir überholen alle Altersklassen die auf indischen Ein-Gang-Fahrrädern schnell hinter und werden selbst von (neuen und sauberen) Toyota- Hotel-Kleinbussen überholt die ihre Hotelgäste, so scheint es, möglichst kurz mit der afrikanischen Realität rechts und links des Straßengrabens konfrontieren wollen um sie dann am nächsten weißen Strand abzuladen.

Nach der Kreuzung in Tunguu biegen wir nach rechts und nach Süden ab. Bald darauf fahren wir in eine wunderschöne Allee mit knorrigen Mango-Bäumen, die so heißt es von einer arabischen Prinzessin gepflanzt worden sein soll, ein Baum für einen Liebhaber. Bei von mir gezählten 365 Bäumen scheint diese Dame ein ganz erfülltes Leben gehabt zu haben. Im Schatten der Mango-Bäume (bin gespannt drauf wenn die Früchte reif sind und auf die Straße klatschen =D) lauert die nächste Polizeikontrolle. Die Straße ist mit 5 verbogenen, rostigen Ölfässern denen gnädiger weise jemand einen offizielleren schwarz-weißen Anstrich verpasst hat, versperrt. Wir halten, scherzen mit den Polizisten die Saidi schon zu kennen scheinen und man räumt die mittlere Tonne aus dem Weg und lässt uns passieren. Ein Polizist mit, nahezu obligatorischem Oberlippenbärtchen winkt uns auf seinem Roller sitzend nach.

Hier sei ein weiteres beliebtes Fortbewegungsmittel erwähnt: Der Roller. Klein schnell und gefährlich passt er wie die Faust aufs Auge in den sansibarischen Straßenverkehr. Durch die engen Gassen Stone Towns flitzen jene Roller mit lautem Hupen und 30 km/h (ohne Spaß!) durch die zwei Meter breiten Gassen, vor jeder Hausecke wird laut gehupt und dann ohne Rücksicht auf Verluste um die nicht einsehbare Ecke gerast. Meine Reise auf dem Roller meines Chefs durch die Innenstadt zu einem Geschäftspartner hat meine Nerven nahezu abkratzen lassen. Außerdem sitzen die Frauen in ihren Langen Schleiern, Burkas und Röcken im Damensitz hinter ihrem Mann der sich durch den Verkehr schlängelt.

Ich schweife ab. Schon wieder! Aber nur weil Saidi das Auto neben einem wackligen Holzstand der schrumpelige Tomaten und anderes Gemüse und Früchte anbietet gestoppt hat und aus dem Fenster heraus (Saidi steigt nie aus! Was wahrscheinlich seiner enormen Leibesfülle zu zuschreiben ist) einem Verkäufer seine Einkaufsliste fürs Mittagessen in Pete diktiert. Solche Stopps passieren außer dem pro Fahrt mindestens fünf Mal.

Wieder unterwegs begegnen wir besonders viel Kraftverkehr, da irgendwo südlich so scheint es ein neues Hotel gebaut werden soll. Große, bullige Lastwagen die so groß sind, das sie ganze Schiffscontainer transportieren können flößen einem Respekt ein, besonders wenn sie, wie so oft, ihr tiefe, ohrenbetäubende Trompete posaunen lassen, die wie ein Kriegsaufruf über all die Verkehrsgeräusche hinweg donnert und gleich für einen Korridor im dichten Straßengewimmel sorgt. Doch auf dem Land, wo wir uns ja gerade befinden, brauchen die Lastwägen nicht zu hupen, da ihre stampfenden Motoren schon lange bevor sie um die Kurve brausen, von ihrem Sturmangriff warnen. Die kleinen Lastwägen, die die Größe eines Ü-Dalas haben, sind, wenn die Ladefläche nicht mit Waren voll gestopft ist meist mit Menschen vollgestopft, die entweder eine Großfamilie sind und auf dem Weg zur nächsten Familienfeier sind oder laute Anhänger einer Partei die sich auf dem Weg zur nächsten Wahlveranstaltung befinden. Meist steht eine Person auf der Ladefläche mit seinen weitgespreizten Händen auf dem Führerhäuschen und blickt nach Vorne wie ein Matrose im Ausguck der den Horizont nach Neuland absucht.

Langsam erreichen wir nach rund einer halben Stunde Pete. Hier hat niemand ein Auto, dafür aber manche einen Ochsenkarren, die aus Holz bestehen und zwei Autoreifen an ihrem Unterboden befestigt haben. Meist steht der Fahrer auf der wippenden Karosserie des Wagens und treibt seine Rind mit kleinen Rutenschlägen auf höhere Geschwindigkeiten. Wie er da so steht und im Staub der Straße voranprescht erinnert er an Ben Hur und seine Kollegen die im Staub eines Hippodroms ein Wagenrennen veranstalten, nur das hier alle Fahrzeugklassen gegeneinander antreten. Fahrrad gegen Ochsenkarren, Roller gegen Moped, Auto gegen Hotelauto, Dala gegen Überland-Dala, Kleinlaster gegen Großlaster. Und die Polizei und die Regierungseskorten, wie es sich für eine Demokratie ziemt gegen alle!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen