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Dienstag, 14. September 2010

Sikuku - Zuckerfest auf sansibarisch


Sikuku (=der Feiertag) bzw. Idd al Fiddr, das große Zuckerfest hat heute geendet. Nachdem am Donnerstagabend der Mond über Zanzibar aufging, endete für die vielen tausend Moslems Zanzibars und Pembas der Ramadan. Hier bei gilt, dass man den Mond sehen muss bevor man das Fasten des Ramadan brechen darf. Für sansibarische Verhältnisse heißt dass, das es auch reicht wenn auf der Insel Pemba der Mond gesehen wird, dann können auch alle anderen Zanzibaris das Fasten brechen. Am Freitag dann, also dem ersten Tag nachdem man den Mond gesehen hatte, konnte man endlich auch wieder tagsüber also bei Sonnenschein essen. Für mich heißt, dass ganz konkret, dass ich am Freitag das erste gemeinsame Frühstück mit meiner Gastfamilie hatte, da ich davor immer fernab der Blicke meiner Familie allein auf meinem Zimmer gegessen habe. Zanzibar Town ist während der letzten Tag wahrhaftig wie nach einem Winterschlaf aufgeblüht. Überall sind kleine „Duka“s (Läden) mit Essen aus dem Boden gesprossen und man sieht die Stadt nun von einer ganz anderen Seite. Viele Geschäfte haben nun während der letzten Tage geschlossen gehabt (weshalb wir heute die Arbeit im Laden übernehmen durften) da alle ihre Familien aufsuchen um Sikuku zu feiern. Selbst weniger Dalas des Straßenverkehrs fahren weniger. Zusätzlich kann man den Kindern auf der Straße die mit dem Standard-Satz „Sikuku yangu iko wapi?“ (Wo ist mein Sikuku(-Geschenk)?), sich ein Geschenk zum Zuckerfest erhoffen,  kaum entfliehen. Wir haben hier jedoch eine ganz eindrucksvolle Variante entwickelt um bei den Kleinen für große tiefschwarze Augen zu sorgen: Kommen auf uns Kinder zu sagen wir einfach schnell bevor etwas von deren Seite kommt: „Sikuku yangu iko wapi?“
In Stone Town trifft sich während dem Idd, so scheint es, ganz Zanzibar. Auf dem Forodhani Market, einem am Wasser gelegenem Park, schlagen abends etliche Stände ihre Tische auf um mit frischgepresstem Zuckerrohrsaft (unglaublich lecker) über Zanzibar Pizza und Chapati bis zu sämtlichen Grill-Spießen/-fleisch/-fisch für eine typische Weihnachtsmarktstimmung sorgen nur eben sommerlicher. Hier trifft sich Jedermann, Familien schlagen im Getümmel am Boden ihre Bastmatten (ursprünglich hießen die mal „mkeka“) auf und essen Vorort als sei dies ihr Esszimmer. Wer seinen Blick der Mole zuwendet kann Jugendlichen dabei zu sehen wie sie umringt von einer Menschenmenge ins Hafenwasser springen und dabei Tricks machen, die uns nicht so vom Hocker gehauen haben, aber bei den Einheimischen für Beeindruckung sorgen.
Ebenfalls interresant am Zuckerfest ist, dass es je nachdem ob man den Mond sieht oder nicht sich der offizielle Feiertag nach hinten verschieben kann, was zum Beispiel in Dar es Salaam für einigen Tumult am Fährhafen gesorgt hat. Da, wie es uns erzählt wurde, am Freitagmorgen, nachdem man am Donnerstag den Mond gesehen hatte und der Freitag offiziell zum Feiertag wurde (in Tansania gelten alle christlichen und muslimischen Feiertage) am Ticketverkauf der Fähre nach Zanzibar ein dermaßen großer Ansturm war, da alle schleunigst zu ihren Familien nach Zanzibar wollten, dass man für ein Fährticket einen weitaus teureren Preis zahlen musste.
Ein weiterer Brauch am Sikuku ist es, das sich die kleinen Mädchen besonders herausputzen und einen scheinbaren Wettbewerb darin veranstalten, wer das kitschigere Prinzessinnen-Kleid trägt. Es ist nämlich so, dass sich die Mädchen in knallige neonfarbige Kleider schmeißen die umso schöner sind je mehr Tüff-Ärmel, Glitzersteine und Knallfarben sie haben. Auch sonst wird sich besonders auf Seite der Frau herausgeputzt, man schminkt sich in übermäßig bunten Farben und zeigt ungewöhnlich viel Haut. Besonders stark ist uns dieser Kontrast aufgefallen, als wir im Rahmen des Sikuku in einer Disko waren und uns, die wir uns bereits an verschleierte Frauen und Burkas gewöhnt haben, beim Anblick der großzügigen Ausschnitte und Miniröcke nahezu die Augen herauszufallen drohten. Es bleibt uns jedoch ein Rätsel ob jene „minirocktragenden“ Mädchen dieselben wie jene „vollburkinierten“ sind.

Mittwoch, 8. September 2010

Zanzibar - erste Eindrücke

Irgendwo auf der Straße zwischen Zanzibar Town und Matemwe
Seit gut einer Woche lebe ich nun in Zanzibar. Hier ein Anriss der gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Lage.
Zanzibar, ein teilautonomer Staat im Staat Tansanias, mit seinen gut eine Millionen Einwohnern und zwei Haupt-Inseln (Unguja, umgs.: Sansibar; Pemba) ist im Aufbruch oder in Feierstimmung oder wie man es auch immer ausdrücken möchte, so scheint es uns zumindest, kennen wir doch Sansibar nur so wie es jetzt ist und zwar erst eine Woche.

Hier in Zanzibar das zu 92 % muslimisch ist hat heute die letzte Woche des Ramadan begonnen. Der einmonatige Ramadan gipfelt also am Ende dieser Woche, je nach Sichtbarkeit des Neumond, in einem gigantischen Fest, dem Zuckerfest, bei dem man sich mehrere Tage der Völlerei hingibt, so heißt es. Wir Freiwilligen hier auf Zanzibar sind natürlich sehr gespannt auf diesen Sikuku (Feiertag) und freuen uns bereits auf unsere Erfahrungen mit diesem höchsten muslimischen Fest. Und besonders freuen wir uns auf Essen und Trinken, einmal während des Zuckerfestes und besonders auf Essen und Trinken auf der Straße und in unseren Gastfamilien, wann immer wir essen und trinken wollen, denn das ist während des Ramadans hier aufs Sansibars Straßen quasi verboten.
in den Gassen Stone Towns

Das zweite was Zanzibar und seine Hauptstadt Zanzibar Town und die berühmte Altstadt Stone Town zum brodeln zu bringen scheint sind die Parlamentswahlen für Gesamt-Tansania, Mainland und Zanzibar, zu Beginn des Oktobers. Die ehemalige einzige Partei Chama Cha Mapinduzi CCM (Partei der Revolution) und die seit den 90er Jahren zugelassene Civic United Front (CUF) haben sich stark rivalisierende Lager. Da ich die Geschichte Zanzibars und Tanganjikas sowie deren Parteien in einem späteren Blog genauer ausleuchten möchte soll hier nur ein Überblick zum Verständnis der Situation gegeben sein. Die CCM die schon immer also seit 1964 in Tansania die Regierung stellt genießt auf seiten der Bevölkerung großen (eher unverdienten) Respekt. Julius Nyere, Gründer und beeindruckender sozialistischer Visionär Tansanias, der hier liebevoll als Mwalimu (Lehrer) bezeichnet wird, bringt seiner Partei CCM viele Pluspunkte ein, auch wenn er , nun schon lange Tod, nicht mit reiner Weste ins Grab gestiegen ist. Des Weiteren wählen viele Tansanier, so heißt es, die CCM mit der Absicht den sozialen Frieden im Land aufrechtzuhalten, worauf Tansania sehr stolz ist, hat so gut wie jedes Nachbarland mit inneren bewaffneten Konflikten und Bürgerkriegen zu kämpfen, ist Tansania sehr stabil. Die CUF dagegen, mit einem eher muslimischen als christlichen Background, hat auf dem Festland kaum Chancen auf Regierungsbeteiligung da bei einem riesigen Land wie Tansania, entschieden die Mittel fehlen ländliche Regionen aber auch die Städte mit Wahlkampfkampagnen zu erschließen.
Ein Beispiel: Hieß es doch auf unseren diversen Vorbereitungsseminaren, dass die CUF auf Sansibar sehr stark sei, gehen die weißen Fahnen der CUF lächerlich im Meer der grün-goldenen CCM-Fahnen unter. Des Weitern prangen über den Vierteln Dar es Salaams und Zanzibar Towns enorm riesige Plakat-Wände mit riesen Plakaten von dem ehemaligen und natürlich ach zukünftigen Präsidenten Kikwete, die einen nicht um hin kommen lassen an überlebensgroße Stalin-Gemälde zu denken, wenn auch Kikwete schnurrbartloser ist und freundlicher zu seien scheint. Während der CUF definitiv an Profil und Idee fehlt, hat der große Präsident für die nächste Wahlperiode einen ehrgeizigen Plan. Der nichts Dümmeres beinhaltet als durch Tansanias Juwel, den Serengeti National Park eine Schnellstraße (quasi Autobahn) zu bauen. Sein Argument: Man wohle den vom Fortschritt (Maendeleo = beliebte Wahlkampfparole) abgeschnittenen Nord-Westen erschließen, die um den Nationalpark führende Umgehungsstraße sei dafür ungeeignet (und außerdem geht sie durch ein CUF-Wählerhochburg). Seine ehrgeizigen Pläne, die die Binnenmigration von Millionen von Tieren zerstören würde und wahrscheinlich auch das Sterben von Millionen von Tieren zu Folge hätte, haben so hohe Wählen geschlagen, dass die UNESCO mit der Entziehung des Weltkulturerbes der Serengeti gedroht hat. Außerdem ist die Serengeti eine der besten Einnahme- und Devisenquellen Tansanias. Doch den Kreis um Kikwete interessiert so etwas kaum. Also hoffen wir alle, dass auch dieses Wahlversprechen – wie üblich - noch weniger zählt als ein Wahlversprechen in Deutschland.
Zurück nach Zanzibar. Auf den zwei Inseln Unguja und Pemba sind Wahlen bis jetzt immer ein heikles Thema gewesen. Der Wahlkampf zwischen CCM und CUF wurde bisher immer, besonders in Zanzibar, mit allen Mitteln gefochten. Angefangen damit, das die CCM vom Festland Leute nach Zanzibar zum Wählen verschifft, über Bestechung (sowieso), Behinderung beim Wahlgang, Erpressung, Folter und wohl auch Mord. Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der unterschiedlichen Parteien, kam es bisher immer wieder zu Überfällen die in blutigen Schlägereien endeten, sowie gezielten Morden. Gewonnen hat darauf immer die Chama Cha Mapinduzi.

Anhänger der CUF auf dem Weg zu einer Wahlkampfveranstaltung

Doch bei dieser Wahl scheint es bis jetzt doch ganz anders auszusehen. Die erwarteten, sonst immer mehrere Monate vor der Wahl beginnenden, Beat-Ups und Gewalttätigkeiten scheinen dieses Jahr auszubleiben. Befinden wir uns hier doch nur einen Monat vor der Wahl fällt einem frisch Eingereisten keine große Anspannung auf. Das liegt vor allem daran, dass sich CCM und CUF zu einem Novum in der hiesigen Geschichte entschieden haben und zwar, dass man egal wie die Wahl ausgehe sich entschließt eine Koalitionsregierung schließen möchte in der die stärkste Partei den Präsidenten stellt. Man hat damit, so scheint es, auch den fundamentaleren Mitgliedern der jeweiligen Parteien den Zündstoff für offene Konflikte genommen. Auch dieses Thema hat international Wellen geschlagen, so dass die Deutsche Bundesregierung sowie die Britische Regierung angeboten haben, wie man eine gute Koalition bildet, wobei es fraglich bleibt ob da die deutschen Regierungsparteien die besten Vorbilder sind.
Trotzallen guten Zeichen beherrschen Soldaten das Stadtbild, seien es große Militärlaster mit wachsamen MP-gerüsteten Soldaten auf der Ladefläche, einzelne Militärjeeps, oder einfach nur Polizisten die immer wieder in der Stadt auf Patrouille sind. Für mich Greenhorn ist es jedoch schwer zu erkennen [da ich Zanzibar nur so kenne wie es gerade ist] ob dies Normal-, Sonder- oder Ausnahmezustand für sansibarische Verhältnisse ist.
Die Zeit bleibt spannend. Doch bis jetzt ist noch nichts passiert, momentan ist hier wie oben sowieso noch Ramadan in dem der Friede und die Güte einen hohen Wert hat, hoffen wir das es so bleibt und sich die tansanische Bevölkerung für den „weniger schlechteren“ entscheidet .